Edgar Allan Poe | Poe: Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe {Buchvorstellung}

Als erste Station für meine literarische Reise durch den Herbst habe ich mir einen Klassiker der Literatur des viktorianischen Zeitalters herausgesucht: Poe: Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe ausgewählt von Fjodor Dostojewskis, neuübersetzt von Steffen Jacobs und illustriert von Kat Menschik.


Edgar Poe ist ein äußerst eigenwilliger Schriftsteller - wirklich eigenwillig, obgleich von größtem Talent. [...]  Außerdem besitzt Edgar Poe eine Eigenschaft, die in scharf von anderen Schriftstellern unterscheidet und seinen ganz typischen Charakter ausmacht: Es ist die Kraft der Imagination.
- Edgar Allan Poe · Poe: Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe - Nachwort von Fjodor Dostojewski (S. 86 f.) -

Diese Worte von Dostojewski, aus seinem im Jahr 1861 verfassten Nachwort, beschreiben für mich sowohl die drei von ihm für dieses Buch ausgewählten Kurzgeschichten:

  • Das verräterische Herz
  • Der schwarze Kater
  • Der Teufel im Glockenturm 

als auch die Illustrationen von Kat Menschick sehr treffend. Die "Kraft der Imagination" findet sich hier sehr schön kombiniert in Wort & Bild wieder. Dabei umfasst das Büchlein knapp 100 Seiten, so dass es für mich Poe-Neuling perfekt war.

Das Buch ist 2018 in der Reihe Illustrierte Lieblingsbücher im Galiani Berlin Verlag erschienen. Wie die anderen 16 Bände der Reihe, ist auch der vorliegende exquisit und sehr individuell mit Illustrationen von Kat Mesnschik ausgestattet. Ein dreiseitiger Farbschnitt in leuchtend Orange kombiniert mit einem ins Dunkelila gehenden Cover dazu ganzseitige Illustrationen & besondere Schriften kombiniert mit neonfarbiger Lackschrift - ein totaler Hingucker.


Für jede der drei Geschichten hat Kat Menschilk eine eigene Bildsprache mit stimmungsvollen Illustrationen gefunden, welche die durch Edgar Allan Poe "Kraft der Imagination" erzeugten Stimmungen in ganz besonderer Art & Weise unterstützen und so den Leser & Betrachter die Möglichkeit gibt seinen eigenen Gedanken zu folgen.


Edgar Allan Poe hat auch in den vorliegenden drei Kurzgeschichten auf der einen Seite ein Auge für Details, welche die beschriebenen Szenarien - Kraft der Imagination - lebendig, wirklich erscheinen lassen. Während auf der anderen Seite die Geschichte gegenüber ihrer Darstellung unmöglich ist oder sich in der Art niemals zugetragen haben kann. Als Meister der Erzählkunst gelingt es Poe in jeder seiner Geschichten diese Stimmungen auf besondere Art einzufangen.
 
Gemein ist den Geschichten eine oftmals eher emphatische Ausdrucksweise mit vielen Superlativen und Ausrufezeichen, was nicht jedes Lesers Geschmack sein kann. Jedoch ist anzumerken, dass die Sprache Poe's zumeist die Sprache eines reizüberfluteten, verrückten, aber auch drogensüchtigen Ich-Erzählers ist.
 

Edgar Allan Poe (1809–1849) prägte entscheidend die Genres der Kriminalliteratur, der Science-Fiction, aber auch der Horrorliteratur. In der Literatur ist das Düstere, Schaurige & Abgründige eng mit seinem Namen verbunden.

Die ersten beiden Geschichten Das verräterische Herz und Der schwarze Kater gehören zu den bekannteren (Schauer-)Geschichten des Autors.  Die dritte Kurzgeschichte Der Teufel im Glockenturm ist eher unbekannter und dem Genre der satirschen Kurzgeschichte zuzuordnen

In Das verräterische Herz  (1843/1845 · The tell-tale Heart) plant der Ich-Erzähler detailliert den, für ihn, perfekt erscheinenden Mord an einem älteren Mann, da dessen eines Auge ihn regelmäßigen Furcht und Wut erfüllt und in Schrecken versetzt. Die geplante Tat gelingt.  Dann jedoch vermeint der (verrückte) Mörder, das Herz seines Opfers aus seinem Grab heraus schlagen zu hören... Edgar Allan Poe, als ein Vater der Kurzgeschichte, zeigt mit dieser Horrorgeschichte, mit welchen, oftmals einfachen sprachlichen Mitteln wie der Wiederholung, man Spannung und auch Beklemmung erzeugen kann.
 
Mit der zweiten Kurzgeschichte Der schwarze Kater  (1843/1845 · The Black Cat) hat Poe einen psychologischen Kurz-Thriller, eine Schauergeschichte, in der sich die grausigen Effekte in berechnender Art und Weise immer mehr Steigern, um Schuld & Sühne geschaffen. Dabei hat er ein Poe-typisches Sujet - das lebendig Begraben sein, thematisiert.
 
Beiden Kurzgeschichten ist gemein, dass es dem Ich-Erzähler sehr wichtig ist nicht als verrückt zu gelten. Ist es aber doch gerade diese Verrücktheit, dieser den Geschichten innewohnende Wahnsinn, der dem Leser ins Auge springt. Brutale Taten an Menschen bzw. Tieren, die dem jeweiligen Täter/Ich-Erzähler am Herzen lagen, ja denen im zweiten Fall sogar einige innige Liebe entgegengebracht wurde und dennoch scheinen die Taten den Täter kaum zu berühren. Eine nicht Entdeckung der Taten scheint sogar wahrscheinlich... Führte in beiden Tagen das schlechte Gewissen der Täter zur Entdecktung?
 
Der Teufel im Glockenturm war für mich eine ganz besondere Leseerfahrung. Handelt sie doch von der kleinen, wirlich sehr seltsamen Gemeinde Vondervotteimittiss (Wunder-wie-wie-Zeit-ist-es-ist-Wunder-wie-Zeit-es-ist-) in einem abgegrenten, holländischen Tag (!), in der die ebenfalls sehr, sehr seltsamen, oftmals etwas peinlich erscheinenden, nur mit ihren Uhren und Kohl beschäftigt sein scheinen. Sie beschreibt den Untergang dieser Gemeinde eines noch seltsameren, teuflichen Fremden.

Fazit

Wer wie ich den Autor noch nicht kennt bzw. nur über Umwege aus Filmen, wer sich nicht sicher ist, ob die oftmals düstere Stimmung seiner Werke oder seine mit Superlativen gespickte Schreibweise den eigenen Lesegeschmack entsprich, den kann ich Poe: Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe nur ans Herz legen.

Auch wenn die drei Kurzgeschichten eher als wahnhaft, düster, beklemmend zu beschreiben sind, haben sie mir im Zusammenspiel mit der wunderschönen und hochwertigen Buchgestaltung den Autor näher gebracht, so dass ich sicherlich noch das ein oder andere von ihm lesen werden.
 
Der nächste Oktober und damit die Zeit für eine schaurig-gruselige Lektüre kommt bestimmt recht bald, so dass Edgar Allan Poe und ich uns sicherlich wieder treffen werden.
 
PS: Entdeckt habe ich dieses Büchlein übrigens bei Ilke (IG: @buch.geschichten, YT: @BuchGeschichten)
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Über das Buch

Edgar Allan Poes düsterste Erzählungen, illustriert von der großartigen Kat Menschik: Nie sahen die Poe'schen Abgründe so verlockend schön aus! Ein Herz, das nicht aufhören will zu schlagen. 

Eine rachsüchtige Katze mit nur einem Auge. Ein teuflisches Männchen auf einem Glockenturm, das die 13. Stunde schlägt und alle Ordnung aus den Fugen bringt: All diese finster-faszinierenden Elemente aus Poes Erzählungen scheinen geradezu auf Kat Menschik gewartet zu haben, um von ihr in alptraumschöne Bilder verwandelt zu werden. Drei dieser düsteren Erzählungen von Schuld und Untergang, die dereinst Fjodor Dostojewski auswählte und mit einem Nachwort versah, bilden den neuen Band in Kat Menschiks Reihe illustrierter Lieblingsbücher. Kat Menschik zeichnet mit kongenialer Lust am Schauder und einem Blick für Details, der den Erzählungen eine ganz neue Ebene hinzufügt – einen doppelten Boden sozusagen, unter dem vielleicht ein unermüdliches Herz schlägt.

  • AutorIn: Edgar Allan Poe
  • ÜbersetzerIn:
    Steffen Jacobs (Kurzgeschichten Poe's aus dem Amerikanischen),
    Alexander Nitzberg (Nachwort aus dem Russischen)
  • IllustratorIn: Kat Meschik 
  • Herausgeber:‎ Galiani-Berlin; 4. Edition
  • Erschienen am: 12. April 2018
  • Reihe: Illustrierte Lieblingsbücher, Band 5 
  • Genre(s): Amerikanische Literatur, Horror, Klassiker, Kurzgechichte

 

Viele Grüße,

Mandy