Nach dem Schweigen | Stefanie Fricke {Rezension}

Über die Storrie-Autorenplattform wurde ich auf den Roman Nach dem Schweigen von Stefanie Fricke aufmerksam, welches die Autorin im Selfpublishing im Juni 2023 veröffentlicht hat.

Klappentext

"Vielleicht war es ja doch an der Zeit, alle anderen rauszuschmeißen, die da schon lange nichts mehr zu suchen hatten. Die Gespenster, die sich so hartnäckig festhielten an diesem traurigen Ort und sie daran erinnerten, dass sie eine Bolitta war, ein Nichts." Meinrode, ein fiktives, kleines Dorf westlich unweit der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze im Jahr 2000: Die 30jährige Wiebke Bolitta ist eine Kriegsenkelin. Ihre Kindheit in den 70er Jahren als Tochter ostpreußischer Flüchtlinge ist geprägt vom Schweigen und der Gefühlsarmut der Eltern. Erst das Erkennen, dass die familiäre Situation auch das Leben ihres Neffen Gunnar beeinträchtigt, lässt sie sich allmählich aus ihrer Erstarrung lösen. Gemeinsam mit ihrer alten Schulfreundin Stella Mahlmann macht sie sich auf die Suche nach Antworten auf ihre Fragen. Das, was sie ans Tageslicht befördern, gefällt nicht jedem in dem kleinen Dorf.

 

Rezension

Stefanie Fricke wählt für ihre Geschichte um die Nachwirkungen des 2. Weltkrieges und der daraus wurzelnden Fluchtbewegung aus Ostpreußen zusammen mit einem Stück deutsch-deutscher Geschichte einem dem Leser vertraute, wenn auch an manchen Stellen etwas derbe, Alltagssprache. 

Die Autorin entfaltet dabei eine große Vorstellungskraft; sie verleiht dem Roman auf der einen Seite eine überausspannende Handlung, die sowohl die früher als auch aktuelle Verbindung der handelnden Personen untereinander und daraus erwachsene Konsequenzen aufzeigt, aber auch mit einem kleinen Kriminalfall gespickt ist. Auf der anderen Seite platziert Stefanie Fricke aber auch viele kleine, feinsinnige Zwischentöne und Beobachtungen

Der Schreibstil der Autorin verleiht der Geschichte dabei ein nachfühlbare Lebendigkeit. Ihre auf die Vorstellungskraft des Lesers abzielende Sprache lässt dabei Ort und Personen entstehen, die sich der Leser sehr gut vorstellen kann ohne dabei durch dir Autorin in eine vorgegebene Richtung gedrängt zu werden.

Wie bereits skizziert fokussiert sich die Autorin in ihrem Roman Nach dem Schweigen auf das Themen Zweiter Weltkrieg, Flucht & Vertreibung, verwoben mit Aspekten deutsch-deutscher Geschichte am Beispiel eines fiktiven Ortes an der innerdeutschen Grenze. Die Erfahrungen des Krieges und der Vertreibung, im vorliegenden Roman aus Ostpreußen, hat bei allen Beteiligten tiefe Spuren hinterlassen und prägte nicht nur ihr Leben lange über eigene Erfahrungszeit hinaus. Prägte und beeinflusste nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben der Nachkriegsgeneratio. Diese Erfahrungen werden jedoch kaum bis gar nicht verarbeitet, niemals benannt und darüber gesprochen. So dass die Wirkungen hinaus in die Generation der Kriegsenkel nachwirken, sie beeinflussen, prägen und die Frage aufkommen lässt: Was ist damals geschehen? 

Stefanie Frickes Protagonistin begibt sich auf ihren mühevollen, oft schmerzvollen Weg diese Frage zu beantworten, das Schweigen zu brechen um am Ende ihre Freiheit von den Fesseln der Vergangenheit, die nicht ihre Eigene ist, zu gewinnen.


Fazit

Stefanie Fricke zeichnet in Nach dem Schweigen das Bild eines „typischen“ Dorfes im Nachkriegsdeutschland und verarbeitet dabei Erlebnisse, Erinnerungen, Traumata einer Generation, die sich die Auswirkungen ihrer Erfahrungen über Generationen bis zur Generation der Kriegsenkel hinweg nicht bewusst ist. Die Autorin löst dies auf einfühlsame und tröstliche Weise auf und gibt dem Leser Aspekte zum Innehalten und Nachdenken auf seinen eigenen Weg mit.


– für einen Roman, der ein überaus wichtiges Thema aufgreift, dem Leser einen Teil deutscher Geschichte nahebring und zum Nachdenken anregt, aber auch Lesevergnügen bereitet.

 

Viele Grüße,

Mandy